Obwohl die Probleme des Vortages immer noch die gleichen waren, fühlte ich mich deutlich entspannter und konnte mich gut auf die einzelnen Sessions einlassen.
Das Wetter war herrlich und wir praktizierten die Gehmeditation sogar im Garten. Mit langsamen oder schnellen Schritten überquerten wir das Grundstück, umgeben von Blumen, Bäumen und einer schönen Wiese auf der das Leben, in Form der verschiedenen Pflanzen und Insekten, nur so pulsierte. Aber darum ging es nicht! Es ging darum beim Gehen zu sein, sich zu konzentrieren und versuchen bei dem zu bleiben, was man gerade macht – Schritt, für Schritt mit der Aufmerksamkeit in den Füßen zu bleiben.
Wie setzen wir mit den Füßen auf? Ist der Boden hart, oder weich? Wie balancieren unsere Muskeln die feinen Unebenheiten des Untergrunds aus? Und vieles mehr! Es ist erstaunlich wie viele Details wir selbst bei so einfachen Sachen nicht mitbekommen und wie automatisch diese in unserem Alltag passieren.
Die Mittagspause wollte ich für einen kleinen Spaziergang nutzen, im Schweigen, und versuchen meine Achtsamkeit zu behalten. Die klappt natürlich nicht immer, weil ständig irgendwelche Ablenkungen vorhanden sind, aber selbst wenn ich mal nach Innen gekehrt war, tobten meine Gedanken. Am auffälligsten empfand ich ein ständiges Bewerten und Vergleichen zu allem und jedem. Selbst normale Blätter wurden nicht verschont und die Kräftigkeit des Grüns, oder die Form des Blattes, bekamen plötzlich eine existentielle Bedeutung. Ich glaube der Grund, warum ich keine Sorge habe an einem Schweigeseminar teilzunehmen ist der, dass ich weiß, dass es nie wirklich still ist. Der Spaziergang durch den Wald bestätigte mir dies.
Später, auf dem Rückweg, lief ich mit dem Gesicht durch einen Spinnenfaden, der sich von der einen Seite des Weges zur anderen spannte. Fast zeitgleich formte sich in meinem Kopf eine Geschichte, wie die Spinne wieder und wieder den Faden sponn, weil immer und immer wieder irgendwelche Menschen durch ihn hindurch liefen und dabei kaputt machten. Dabei fragte ich mich, wie oft sie wohl versuchen würde ihr Werk zu vollenden, bevor sie dann doch irgendwann aufgab!?
Kurz darauf kam ich für mich zu einer Erkenntnis: Wir sind alle Geschichtenerzähler!
Die Mehrheit der Menschen wird vermutlich, wie ich auch, irgendwelche Szenarien im Kopf durchgehen, dabei mögliche Situationen durchspielen, eventuell sogar katastrophisieren und sich die schlimmsten Szenarien ausmalen. Das Gespräch mit dem Chef, das Begrüßen eines alten Freundes, die Planung für die nächste Party, vielleicht auch nur das erstellen der Einkaufsliste für die nächste Woche.
Ohne uns wirklich darüber bewusst zu sein, sind wir unheimlich kreativ, allerdings auch so nah an der Realität, dass es nicht phantastisch genug ist, um als kreativer Prozess verstanden zu werden. Aber ich denke wir sind alle kreativ! Falls du mal denken solltest du seist es nicht, sind bis zu diesem Eindruck garantiert schon viele, kreative Prozesse durchlaufen worden. Also: Nur Mut! Trau dich und überdenke vielleicht noch mal deine Meinung über deine eigenen Fähigkeiten!
Der Rest des Tages war relativ entspannend und ereignislos. Mein Problem mit dem Essen hatte ich angesprochen, eigentlich nur aus Prinzip, und ich hatte sogar das Gefühl, dass man sich dieses Mal mehr Mühe gab mich zu versorgen.
Ab 21 Uhr ging es dann wieder ins Bett und ich beschäftigte mich viel zu früh damit, welches Fazit ich am Ende des Kurses wohl für mich ziehen würde und was ich wohl vor den anderen Teilnehmern erzählen würde. Das übliche Geschichten erzählen …
Schlagwörter: Achtsamkeit, Gedanken, Gehmeditation, Geschichtenerzähler, Hilflosigkeit, Hofheim, Kreativität, MBSR, Meditation, Retreat, Schweigen, Sitzmeditation, Stätte für Begegnung und Stille, Taunus, vegan, Wut, Yoga
Hinterlasse einen Kommentar